Skip to main content

Right Guard der Berlin Rebels- Eine Reportage von Gerrit Lagenstein

Reportage Sven 1Right Guard Sven Skora im Viertelfinalspiel der Berlin Rebels- Foto Christian Goßlar

Kurz vor dem Ende der regulären Saison bekamen wir die Anfrage von Gerrit Lagenstein, der für sein Studium eine Reportage schreiben musste, einen unserer Spieler zu begleiten und zu interviewen.

Right Guard Sven Skora, der bereits seit knapp 10 Jahren für die Rebels aufläuft, schien uns dafür perfekt.

Wir finden Gerrits Text ist wirklich klasse und wir möchten ihn sehr gern mit euch teilen. Natürlich haben wir seinen Text ganz genau so gelassen, wie er ist.

Ein kleiner Einblick in das Leben eines Offensive Lineman, der in der regulären Berichterstattung oft viel zu wenig Beachtung findet, für sein Team aber einer der Helden im Hintergrund ist.

Mehr als ein menschlicher Prellbock

von Gerrit Lagenstein

Offensive-Liner im Football leben gefährlich. Den Ruhm streichen derweil andere ein. Trotzdem wollte Sven Skora von den Berlin Rebels nie auf einer anderen Position spielen.

"Three 88 - Set - Hut". Sven Skora lässt den Worten seines Quarterbacks Taten folgen. Eben verharrte er noch in der Hocke, den Oberkörper nach vorne gebeugt, eine Hand am Boden. Wie ein Leichtathletik-Sprinter stößt sich der 29-Jährige blitzschnell vom Boden ab und reißt die Arme nach vorne.

Weit kommt er nicht, sein Gegenüber hat ähnlich schnell reagiert. Zwei Hundert-Kilo-Brocken prallen aufeinander, die dem anderen keinen Zentimeter Platz gönnen. Es ist eine reine Frage der Kraft. Hält Skora dem Druck nicht stand, wird der Spielzug seines Teams scheitern.

Seit zwölf Jahren ist Sven Skora eine Art menschlicher Prellbock für die Ballträger im American Football. Wie so viele Deutsche kam er über das Fernsehen zur seiner Lieblingssportart. „Ich sah diese ganzen Filme wie ‚Helden aus der zweiten Reihe‘ und dachte mir: Das ist schon cool. Da muss ich mal hin“, erzählt Skora.

Mit 17 spielte der heutige Rebel noch Fußball. Statt zu Edeltechnikern wie Cristiano Ronaldo, zählte er sich aber eher zu den brutaleren Spielern. Beim Football konnte er dieser aggressiven Spielweise besser frönen. Die Berlin Kobras, wo er erstmals zum Training aufschlug, nahmen ihn mit Kusshand. "Ich wollte es nur ausprobieren, doch direkt nach der Einheit kaufte ich meine erste Ausrüstung.“ Die Shoulder-Pads und der Helm sind Pflicht. Der Rest ist von der Position abhängig.

Sven Skora hatte schon vor seinem 18. Geburtstag eine beeindruckende Statur. Er wird in die Offensive Line geschickt. Seither verhindert er mit seinen 1,88 Metern und 125 Kilo, dass die gegnerischen Verteidiger zum Quarterback durchdringen.

In der Erstliga-Partie gegen die Kiel Baltic Hurricanes ist es im Moment nicht Spielmacher Terrell Robinson, der seinen Schutz braucht. Die Rebels haben sich fürs Laufspiel entschieden. Runningback Larry McCoy schießt durch eine Lücke, die ihm Skora durch seinen beherzten Einsatz freigeblockt hat. Die Nummer 28 ist auf und davon. 46 Yards legt der Amerikaner zurück - der längste Lauf des Matchs.

Nach der Partie weiß McCoy, bei wem er sich bedanken darf. „Es fängt alles mit den Jungs in der Offensive-Line an. Wenn die nicht so gut blocken würden, könnte ich keinen Meter nach vorne kommen“, lobt der „Top-Rusher“ der Rebels. Er spielt seit vier Jahren im Team – immer an der Seite von Sven Skora. „Ich liebe seine Einstellung, er ist einfach ein großartiger Teamkamerad“, fügt McCoy an.

Auch Coach Kim Kuci weiß um die Bedeutung seines Schützlings: „Er hat sich in all den Jahren bei den Rebels unheimlich gesteigert. Mittlerweile ist er eine Stütze, die kaum wegzudenken ist.“ In der National Football League können mit dieser unauffälligen aber wichtigen Rolle Millionen verdient werden. Sven Skora spielt für lau.

Die lobenden Worte hört er sich verlegen an. Deutlich wohler fühlt er sich auf den 100 Yards, die die beiden Endzonen im Football trennen. Nach einem Ballgewinn der Rebels geht es für Skora und seine Kollegen von der Offense zurück auf den Rasen. Die elf Männer stellen sich im Kreis auf und stecken die Köpfe zusammen. Das nächste System wird angesagt.

Das Spiel beginnt von vorne. Skora rammt gegenüber der Verteidigung die Füße in den Rasen und wartet auf das Kommando des Quarterbacks. Sein Blick ist starr auf seinen Gegenspieler gerichtet. Schweißperlen laufen ihm die Stirn herunter. Ein letztes Mal tief einatmen und rein geht es wieder ins wilde Getümmel.

Skoras Aufgabe ist monoton. 58-Mal wird er heute versuchen seinen Gegenspieler wegzuschieben. Dieser Spielzug ist jedoch anders als die vorherigen. Er endet nicht mit der Besprechung des nächsten, sondern damit dass der Football-Veteran seinen Helm abnimmt und sich mit einem Bein auf den Boden kniet. Unweit von ihm liegt einer seiner Mitspielern in den schwarz-silbernen Trikots auf dem Rücken und muss behandelt werden.

Kreuzbandrisse, zertrümmerte Knochen, Nervenschäden. Football kann den menschlichen Körper verschleißen wie kein anderer Sport. Umso mehr verwundert es, dass Skora in seiner Karriere von schweren Verletzungen verschont geblieben ist: „Einmal habe ich mir einen Finger ausgerenkt. Dann habe ich ihn aber einfach selbst wieder in die richtige Positionen gedrückt und weitergespielt.“ Die Worte kommen so locker aus dem Mund des Berliners als wäre dies nichts Besonderes.

2015 erschien der Film ‚Erschütternde Wahrheit‘. Er erzählt die wahre Geschichte, wie die Chefs der größten Football-Liga der Welt mit aller Macht versuchen, Studien über die Langzeitfolgen des Football-Spielens zu vertuschen. Ein Arzt hatte die Gehirne mehrerer früherer Spieler untersucht. Ihr Zustand glich dem eines 80-jährigen Alzheimer-Patienten. Die wiederholten Kopftreffer auf dem Feld hatten zu einer erheblichen neuralen Degeneration geführt.

Sven Skora hat den Film gesehen. „Da macht man sich schon seine Gedanken. Ich hatte bestimmt auch mal eine Gehirnerschütterung und habe einfach weitergespielt“, erzählt er und hält kurz inne, bevor er weiter spricht: „In der O-Line hat man jeden Angriff Körperkontakt. Ab und zu prallen auch die Köpfe aneinander. Da wird einem schon mal kurz schwarz vor den Augen.“ Trotzdem hat er in den letzten zehn Jahren nur ein Spiel verpasst – er musste in seinem Job als Maler und Lackierer ran.

Jetzt am Ende der Saison fühlt er sich ausgelaugt und sehnt die spielfreie Zeit herbei. Was zählt, ist aber erstmal das Hier und Jetzt und da präsentiert Sven Skora weiter beeindruckend seinen aktuellen Wert. Insgesamt ermöglichen er und seine vier Kollegen in der Offensive Line den Runningbacks der Rebels 200 Yards Raumgewinn. Ein Topwert. In der Saison waren es durchschnittlich 55 Yards weniger. „Solche Zahlen sind das beste Lob für uns, denn sie sind ein klarer Beweis dafür, dass wir einen guten Job gemacht haben.“

Das erkennt längst nicht jeder Zuschauer. Die Augen der Beobachter liegen auf dem Ballträger. Die O-Liner fallen höchstens auf, wenn ihre Gegenspieler den Quarterback zu Boden bringen. Kurz vor Spielende ist es fast soweit. Erneut steht Skora dem Kieler Viliseni Fauonuku gegenüber. Der Amerikaner ist einer der wenigen Legionäre auf der Position der schweren Jungs.

Gefrustet davon, dass er das ganze Spiel kaum eine Chance gegen Skora hatte, reißt Fauonuku den Berliner plötzlich am Arm zum Boden: ein klarer Regelverstoß, den sich Skora nicht gefallen lassen will. Er rappelt sich sofort wieder auf und fährt den Ami an. Die genauen Worte sind auf der Tribüne nicht zu verstehen. Die Körpersprache dafür umso mehr. Ein Schubser hier, ein verächtlicher Blick da. Schnell scharen sich Skoras Mitspieler um den Offensive-Liner. Aus dem Beschützer wird der Beschütze.

Im Team der Rebels wird niemand allein gelassen - erst recht nicht nach Spielende. Arm in Arm zelebrieren die Hauptstädter den 35:21-Erfolg mit ihrem gewohnten Siegestanz.

#BeDifferent

Reportage Sven 2Sven Skora beim Passcheck in Hildesheim- Foto Christian Goßlar